Zukünftig werden verstärkt modernste Hightech- und digitale Anwendungen die Arbeitsabläufe in wichtigen Teilen der Film- und Serienproduktion, insbesondere bei großen audiovisuellen Werken, grundlegend verändern (Stichworte: Virtual Production/VP). Auf absehbare, damit einhergehende Umbruchsituationen muss auch in der Förderung aktiv reagiert werden, soll die Filmbranche in Deutschland nicht ins Abseits geraten.
Die beispielhafte Analyse einer erfolgreichen im Studio Babelsberg – in einem Virtual-Production-Studio produzierten Hochglanz-Serie vermittelt folgende Erkenntnisse:
- Budgeteffekte
Trotz hoher Investitionskosten für den Bereich „VP“-Studio und dem begleitenden Einsatz hochbezahlter VFX-Spezialisten konnte durch große Einspareffekte an anderer Stelle der bei „klassischer“ Produktion übliche Budgetrahmen eingehalten, sogar etwas unterschritten werden.
Trotz maximaler Ausnutzung der GMPF II -Förderung vermag diese aber nicht einmal die o. g. notwendigen Hightech-Investitionen und Bezahlung der VFX-Experten abzudecken. Eine rein Einzelprojekt-bezogene Förderung reicht ohne gleichzeitige Sicherheit über Anschlussprojekte oder Investitionszuschüsse anderer Art als Anreiz für die hier notwendigen Hightech-Investitionen nicht aus.
- Arbeitsplatzbezogene Effekte
Auch im virtuellen Zeitalter bleiben die bisherigen Produktionsdienstleistenden, gerade auch im kreativen Handwerk, weiterhin gefragt. Die bereits beschriebene Hochglanz-Serie (im Beispiel mit Dreharbeiten von etwa einem halben Jahr) war im Inland hoch arbeitsintensiv mit einer nachweisbaren Beschäftigung von
- 1960 Inländern und etwa
- 100 im Inland tätigen Ausländern
(kurzfristig-punktuelle Beschäftigung sowie unbekannter Personaleinsatz der auf Rechnung tätigen regionalen Dienstleister nicht eingerechnet).
Der Personaleinsatz verteilte sich weit überwiegend auf breit gefächerte „below-the-line“- Arbeitsbereiche. Der Anteil „above-the line“ belief sich auf maximal 10% (jedenfalls unter 200 Personen). Erfahrungsgemäß verspricht gerade der Einsatz von in der Filmwirtschaft tätigen Selbstständigen, freiberuflich tätigen Personen und klein- und mittelständigen Betrieben hohe Multiplikatoreffekte in der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungskette.
Allerdings zeigte sich der Fachkräftemangel gerade bei der Rekrutierung von inländischen VFX- Spezialisten. Die Hälfte des hier benötigten Personals konnte nur aus dem Ausland gewonnen werden. Dies legt nahe, dass über Maßnahmen zur Ansiedlung und Ausbildungsmöglichkeiten für VFX-Dienstleistende zur Behebung des bestehenden Mangels an inländischen Fachkräften vertieft nachgedacht werden sollte, um den Anschluß an diese Technologie nicht zu verlieren.
Ein erfolgreicher Einsatz von VP erfordert aber stark veränderte Herangehensweisen auf vielen Ebenen der Filmherstellung; sie werden künftig auch bis in die maßgeblichen Ausbildungsgänge und neue Ausprägungen von Berufsfeldern hinein reichen. Als persönliche Voraussetzung wird ein hohes Maß an Vorstellungskraft und technischem Verständnis notwendig sein, wenn die zahlreichen Vorteile gehoben werden sollen. Diese bestehen vor allem für die meisten Arbeitskräfte
- in flexibleren und planbaren Arbeitsabläufen,
- in größerer Arbeitnehmerfreundlichkeit durch höhere Zeitsouveränität,
- durch den Wegfall von Auslandsreisetätigkeiten eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie nicht zuletzt in größeren Chancen auf einen zukunftsträchtigen Dauerarbeitsplatz am Wohnort.
Die besseren Arbeitsbedingungen gehen zudem mit bemerkenswerten qualitativen Verbesserungen der Filmwerke im Hinblick auf die Bildgestaltung und die Drehbuchmöglichkeiten durch ein nahezu limitless visual story-telling einher.
- Klimawirksame Energieeinsparungen
Die vermutlich bedeutsamste Erkenntnis aus der beispielhaft analysierten Hochglanz-Serie betrifft den Umweltbereich. In einer mit anerkannten Methoden für das sog. Reallabor durchgeführten Vergleichsrechnung zwischen eingesetzter „Virtual Production“ und simulierter „klassischer Produktion“ ergibt sich eine CO₂-Einsparung von etwa 26% bzw. in absoluten Zahlen über 330 Tonnen CO₂ schon zugunsten nur dieses einen großen Projekts.
Zwei Effekte sind maßgeblich dafür:
- der Fortfall von Auslandsdreharbeiten – und damit der Transport von Equipment und Reisetätigkeiten von Personen sowie
- erhebliche Erleichterungen und Effizienzsteigerungen in der Post-Produktion.
Die Film- und Serienproduktion wird ab sofort den zwischen Branche und Politik vereinbarten „Green Shooting“- Anforderungen genügen müssen; der vielversprechendste und absehbar auch gangbare Weg wird über Virtual Production führen.
Fazit:
Eine auf die Zukunft ausgerichtete Reform der deutschen Filmförderung muss auf die gestaltende Rolle der filmtechnischen Dienstleister setzen und die Ansiedlung von Zukunftstechnologien am Produktionsstandort Deutschland in den Fokus nehmen. Dadurch werden positive Effekte auf Produktionsbudgets, Arbeitsplätze und das Green Shooting generiert. Die filmtechnischen Dienstleister müssen mit geeigneten Förderprogrammen in die Lage versetzt werden, Beschäftigung bzw. Produktionsaufträge aus dem In- und Ausland selbständig zu akquirieren und nach dem spend-on-the-ground Prinzip mit ihren vielfältigen Produktionsressourcen umsetzen zu können.