Zum Auftakt der Woche, in der die politischen Arbeitsgruppen zur Vorbereitung des Koalitionsvertrags ihre Arbeit aufgenommen haben, hat sich Achim Rohnke mit einem pointierten Beitrag für die Aufnahme eines Steueranreizmodells zu Wort gemeldet.
In seinem Gastbeitrag vom 17. März plädiert Achim Rohnke, Geschäftsführer des VTFF für mehr Einigkeit in der Branche:
Mit der Einigung der Parteien der politischen Mitte auf die gewaltigen Investitionen in die Verteidigung und die Infrastruktur Deutschlands hat die Politik bewiesen, dass sie zum großen Wurf in der Lage ist. Nach der Agonie in der Spätphase der Ampelregierung gewinnt die Politik so ihre Handlungsfähigkeit zurück und erobert neue Spielräume. Dies lässt auch in der seit Jahren in einer Wachstumskrise steckenden Film- und Fernsehindustrie die Hoffnung aufkommen, dass die künftige Bundesregierung die Reform der Filmförderung zügig umsetzt, die unter der Ampelregierung ein Torso geblieben ist – endlich!
Das Momentum ist da, den Dialog mit den neuen Verantwortlichen für die künftige Medien- und Kulturpolitik zu intensivieren und eine gemeinsame Agenda zu definieren. So hat der Verband der technischen Betriebe Film und Fernsehen (VTFF) Anfang des Jahres mit dem „APPELL 2025“ jene Themen in die Fachöffentlichkeit eingebracht, die für die technisch-kreativen Dienstleister existentiell sind. Es kommt in der Diskussion mit der Politik allerdings entscheidend darauf an, welche Akzente man setzt. Was steht an der Spitze der Agenda? Was hat Top-Priorität? Hinter welchen Forderungen versammelt sich die gesamte deutsche Filmwirtschaft? Das ist eindeutig die Einführung eines 30-prozentigen, echten international wettbewerbsfähigen steuerlichen Anreizmodells, welches den Produktionsstandort Deutschland wieder auf die Landkarte der relevanten Produktionsstandorte für Filme und Serien zurückbringen würde.
Insofern kommt das Anfang vergangener Woche veröffentlichte Papier eines Bündnisses aus sieben Branchenverbänden zur Unzeit (Blickpunkt: Film berichtete). Das Papier fordert zu viel, es spaltet. Im Zentrum des Forderungskatalogs steht neben dem steuerlichen Anreizmodell die Einführung einer Investitionsverpflichtung für Streamer und Sender. Davon verspricht sich das Bündnis eine Steigerung von „Wertschöpfung, Innovationskraft und Eigenkapitalbildung der hiesigen Unternehmen“. Und sattelt noch eins drauf: Nicht 20 Prozent, wie es in früheren Stellungnahmen hieß, sondern bis zu 25 Prozent soll die Investitionsquote für Netflix & Co betragen. Nur noch Frankreich ist das neue Vorbild.
Nun entzweit die Forderung nach einer solchen Investitionsverpflichtung jedoch seit Monaten die Filmwirtschaft. Auf der Pro-Seite stehen die Produzentenverbände, auf der Kontra-Seite öffentlich-rechtliche wie privat-kommerzielle Sender sowie die Streamer. Zu den Gegnern zählen u. a. auch die Verbände Bitkom und Vaunet sowie der europäische Zweig der Motion Picture Association (MPA).
, in der die großen Hollywood-Studios organisiert sind. Sie führen eine ganze Armada von wirtschaftlichen, ordnungspolitischen und sogar verfassungsrechtlichen Bedenken an. Im Kern fürchten die Gegner der Investitionsverpflichtung eine starke Belastung eines maßgeblichen Teils der Verwertungskette, der vor eigenen wirtschaftlichen Herausforderungen steht. Christoph Schneider von Amazon Prime Video.
Deutschland, hatte sich im Vorfeld im Blickpunkt:Film-Interview geäußert: „Illusorische Investitionsverpflichtungen gehören vom Tisch. Sie überhitzen den Markt, treiben die Preise künstlich in die Höhe – wie die Daten in Frankreich zeigen – und sorgen dafür, das entsteht, wofür es keinen echten Markt gibt. “
Ohne jede Polemik nach irgendeiner Seite sei gefragt: Warum geht die Film- und TV- Wirtschaft in dieser entscheidenden Phase der Koalitionsabstimmung einer neuen Bundesregierung nicht mit einer zentralen Forderung an die Politik, hinter der alle Marktteilnehmer stehen? Die nicht polarisiert, sondern eint? Es gibt diese eine Forderung, es ist der langjährige Ruf nach einem steuerbasierten Anreizsystem mit einem echten 30-prozentigem Tax Incentive für Dienstleister und Produktionsfirmen nach internationalem Vorbild – alle wesentlichen Branchenverbände und -institutionen haben sich zu ihm bekannt. Auch der VTFF hat das Steueranreizmodell ins Zentrum seines „APPELL 25“ gestellt. „Um die nationale Filmwirtschaft in Europa wieder wettbewerbsfähig zu gestalten, sollte das lange erwartete Steueranreizmodell schnell umgesetzt werden“, steht in einem Grundsatzpapier des Branchenverbandes Bitkom – viele weitere Bekenntnisse zum Tax Incentive könnten so oder ähnlich zitiert werden.
Das geeinte Motto der Film- und TV-Wirtschaft muss also heißen: First things first! Kein Klein-Klein, keine brancheninternen Querelen mehr, keine Positionen, die sich nur langfristig (wenn überhaupt) erreichen lassen, sondern eine Forderung, die alle eint und sich damit am besten durchsetzen lässt: die schnellstmögliche Einführung eines steuerlichen Anreizmodells, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produzenten und technisch-kreativen Dienstleister wiederherstellt, die andauernde Projektflucht ins Ausland beendet und wieder vermehrt Produktionsumsatz in Deutschland generiert. Es ist die Basis, auf der alle anderen, ebenfalls wichtigen Initiativen zur strukturellen Verbesserung des Film- und TV-Standortes Deutschland wirksam werden können. Step by step. Nur wenn sich die gesamte Filmwirtschaft fokussiert hinter diese Botschaft stellt, hat sie die Chance, es auf die To-do-Liste der ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung schaffen. Und die ist bekanntlich sehr lang. Das Momentum ist da.